Papst Johannes XXII by Schmidt Hans-Joachim;Rohde Martin

Papst Johannes XXII by Schmidt Hans-Joachim;Rohde Martin

Autor:Schmidt, Hans-Joachim;Rohde, Martin
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2014-06-27T00:00:00+00:00


VIII. Resümee

Was der Johannes XXII. für ein Mensch sei, blieb aber wohl immer dem aragonesischen Hof verborgen. Hinter die Maske vorgeschobener Argumente, hinhaltender Versprechungen, vorenthaltender Maßnahmen und widersprüchlicher Aussagen auf tatsächliche Intentionen schauen zu können, ist wohl in gleicher Weise für den Historiker illusorisch. Der Vorwurf von Johannes XXII., zu Anfang meiner Ausführungen vorgestellt, der den König der Unehrlichkeit beschuldigte, entbehrte nicht minder seiner Berechtigung. Beide Seiten sahen sich mit Kontrahenten konfrontiert, denen moralisches Fehlverhalten zu unterstellen, eine gewiss bequeme Deutung war, aber die zugrunde liegenden Konstellationen nicht angemessen zu erfassen vermochte. Denn es ging nicht allein um die Doppelbödigkeit, um nicht zu sagen um die Verlogenheit des Agierens, so sehr auch das gegenseitige Misstrauen gemeinsames Handeln unterband und zugleich große Anstrengungen motivierte, die geheimen Absichten des jeweils anderen in Erfahrung zu bringen. Gesandte Jakobs an der Kurie in Avignon wiesen schon am Anfang des Pontifikats von Johannes auf dessen Undurchschaubarkeit und dessen angebliche schwankende Parteinahme, ja auf dessen geradezu verstörendes Handeln.986 Was das Verhältnis zwischen König und Papst vor allem kennzeichnete, war die gegenseitige Abhängigkeit, die ein schroffes Aufeinanderprallen der Gegensätze ausschloss, so dass Moderierung, Verzögerung und Widersprüchlichkeit das am ehesten angemessene Verhalten war, um Nutzen zu optimieren. Nicht Kooperation auf der Basis des Vertrauens, sondern auf der Basis des Misstrauens war die Folge. Deswegen war es so wichtig, in Erfahrung zu bringen, welche Einflüsse einwirkten, denn von ihnen glaubte man, dass sie das Verhalten bestimmten. Abschätzungen hinsichtlich der Bündnisse, Interessen und Abhängigkeiten waren zu treffen.

Der gegenseitige Argwohn verhinderte nicht gemeinsame Unternehmungen. Er beförderte zugleich aber auch große Anstrengungen, die geheimen Absichten des jeweils anderen in Erfahrung zu bringen. Die hier vorgestellten Handlungsfelder zeigen, wie sehr ein konfliktreiches Verhältnis engen Austausch von Gesandten, Führung von Verhandlungen, Ausloten von gemeinsamen Anliegen nicht hemmte. Jedenfalls war eine Zuspitzung des Konfliktes abgewendet, wie wir ihn hinsichtlich von Ludwig dem Bayer und hinsichtlich von Friedrich von Sizilien kennen. Negative Urteile wurden daher von beiden auch nicht offen vorgetragen, sondern fast stets im internen Beraterkreis geäussert. Die Aggression war moderiert und schloss Angebote zur Kooperation nicht aus. Die vage, uneindeutige Kommunikation beließ Raum für Interessenausgleich und sogar koordiniertes Handeln. Zugleich waren aber gerade die gemeinsamen Handlungsfelder Quelle von Konflikten. Die Beziehungsdichte stand in einem offenen Gegensatz zur Eindeutigkeit von Beziehungen. Papst Johannes XXII. war die Spinne im Netz, aber nicht weniger – ganz im Gegenteil – die aragonesischen Könige. Diese zogen die Fäden, sie suchten die Kurie zu beeinflussen. Langfristiger politischer Nutzen gewannen sie gleichwohl nicht. Aber Papst Johannes XXII. und die Könige Jakob II. und Alfons IV. von Aragon schufen Verfahren diplomatischen Verkehrs, der zur Konzentration von Kontakten und Kommunikationen in Europa beitrug und die wechselseitige Interdependenz in Europa verstärkte. Die Kompliziertheit des Systems der Relationen machte Eindeutigkeit unmöglich. Dies als moralische Verfehlung, als Unehrlichkeit, gar als Verlogenheit zu deuten, lag zwar auf der Hand und wurde auch recht ausgiebig debattiert. Aber im direkten Kontakt vermieden beide Seiten eine moralisierende und seitens des Papstes gar religiöse Deutung der konfliktreichen Beziehungen – anders als gegenüber Friedrich von Sizilien und Ludwig dem Bayer.



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